Abkassieren – Kressbronns neue Klimapolitik

Nach jahrelangem Widerstand beschließt der Kressbronner Gemeinderat die Ausarbeitung eines Klimaschutzkonzeptes. Die Welt brennt und bald sind Wahlen. Jetzt wird’s eng…

Was bereits vor Jahren als zentrales Element des Kressbronner Leitbilds hätte entwickelt und umgesetzt werden können, soll nun schnell kommen. Nicht das Leitbild – aber ein Klimaschutzkonzept.

Während die Verwaltung seit Kurzem den Tank des Blockheizkraftwerks im Parkschulzentrum mit klimaschädlichem Erdgas statt Palmöl aus Indonesien füllt und sich im letzten Jahr der Gemeinderat eine Blamage nach der anderen geleistet hat, will Kressbronn nun Klimachampion werden. Zur Erinnerung: die Übergabe von zehntausenden Unterschriften gegen den weiteren Bezug von umweltschädlichem Palmöl fürs Heizkraftwerk Kressbronn wird unter Androhung eines Hausverbots durch Bürgermeister Enzensperger 2019 abgelehnt. 2020 wird die Fahrradstraße nach Tettnang durch die CDU und BWV im Gemeinderat verhindert.

Alle Bemühungen, die Verwaltung davon zu überzeugen, bei der Sanierung der alten Bücherei (heute Rathauserweiterung) eine PV-Anlage zur Deckung des steigenden Strombedarfs zu installieren, scheitern. Herr Enzensperger dazu in der Festhalle bei der Vorstellung der Agenda 2030: „Wenn sich das lohnen würde, würden wir’s machen“. Basierend auf den Zählerständen von 2019 verbraucht das Bürgermeisteramt satte 34% mehr Strom als 2015, bevor Rathauspersonal und die Klimaanlage in die alte Bücherei einzogen. Die jährlichen Stromkosten fürs Rathaus stiegen von rund 20.000€ auf 31.000€ im selben Zeitraum! Fragt sich, wer berät eigentlich den Bürgermeister bei solchen Fehlentscheidungen – der Bauamtsleiter, der Kämmerer? Wie lange sollen wir Bürger dafür noch die Zeche mit unseren Steuern zahlen?

Während die Mieter der Gemeindewohnungen keine Aussicht auf günstigen Strom vom Dach der Gebäude haben, freut sich der CDU-Gemeinderat Hubert Bernhard auf eine PV-Großanlage, die künftig über seinen Obstbäumen grünen Strom macht. Trotz aufwändiger Unterkonstruktion ist die Anlage nach 10 Jahren abbezahlt und beschert dem Eigentümer voraussichtlich ein zusätzliches jährliches Einkommen in der Größe eines Arbeitergehalts. Erneuerbare Energie zahlt sich aus! Es sei dem Gemeinderat auch gegönnt. Aber weshalb funktionieren solche Projekte auf dem eigenen Acker immer schneller und besser als auf den Dächern der gemeindeeigenen Mietimmobilien?

Auf der Habenseite durch die vom BM gepriesenen Ladesäulen für E-Autos scheint der Rubel auch zu rollen. Herr Enzensperger verwehrte sich vor einiger Zeit gegen den Vorwurf, dass die vom Regionalwerk aufgestellten und aus EU-Mitteln geförderten E-Ladesäulen zwar gut gemeint aber eher als Einnahmequelle konzipiert sind. Die Gemeinde als Teilhaberin am Regionalwerk habe dabei keine finanziellen Interessen.

Vor ein paar Monaten kam ich spät von einem Geländetermin nach Hause und beschloss, die schnellere Regionalwerk-Ladesäule um die Ecke zu nutzen. Die Rechnung war ein harter Schlag in die Magengrube. Zwischen 03:16h und 07:04h wurden 22,21€ Standgebühr kassiert - zusätzlich zum Strom - für das Parken vor der Ladestation mitten in der Nacht. Das ist Abzocke der übelsten Art! Kressbronn erhielt vom Jahresgewinn des Regionalwerks Bodensee 2019 kurz nach Enzenspergers Dementi einen Gewinnanteil von knapp 192.000€!

Wenn es Kressbronn mit dem Klimaschutz und der Sorge um seine Bürger ernst meint, kommen hier ein paar kostengünstige Vorschläge mit sofortiger Wirkung fürs Klima: stoppt den Hotelneubau auf dem Bodan-Gelände und renaturiert die Fläche, unterstützt die Fahrradstraße nach Tettnang statt neuer Flächenversiegelung für Touristenparkplätze, plant ein CO2-neutrales Nahwärmenetz für unsere Gemeinde!

Bürgermeister Enzensperger sollte jeden Erwachsenen und jedes Kind in Kressbronn um Verzeihung bitten für eine Amtszeit, in der Umwelt- und Klimaschutz in Kressbronn zu einer leeren Floskel verkommen sind. Es wird Zeit für echten Wandel in Kressbronn an der Wahlurne zur Bürgermeisterwahl 2022 und bei der kommenden Gemeinderatswahl.

H. Kling (Die kleine See-Post vom 19.08.2021)

Tags