Ladesäule gibt Bürgermeister Halt

In der vergangenen Ausgabe der kleinen See-Post fand sich ein mit Superlativen geschmückter Artikel von BM Enzenzsperger zur „nachhaltigen Entwicklung der Elektromobilität“ in Kressbronn. Zukunft, Zeichen wurden gesetzt, …jeder kann, alles super. Die Gemeinde sei in punkto Elektromobilität „gut aufgestellt“. Gut aufgestellt – eine universell einsetzbare Floskel. Ein Billy-Regal mit der Hälfte der gelieferten Schrauben und Dübel zusammengeschustert oder der VfB Stuttgart, der mit 5 verletzten Stammspielern gegen den BVB antritt – jeder kann behaupten, er sei gut aufgestellt.

Die Elektroladesäulen wurden definitiv gut aufgestellt. Ich habe selbst schon öfter mein Auto dort geladen. Durch Landes- und EU-Fördermittel kofinanziert generieren die Ladesäulen ein Einkommen für das Regionalwerk. Da die Gemeinde Kressbronn Miteigentümerin am Regionalwerk ist, verdient sie an jeder verkauften Kilowattstunde Ladestrom.

Die bloße Berührung einer Ladestation macht einen noch nicht zum Klimahelden. Die größte Leistung des Bürgermeisters und der Mehrheitsfraktionen von BWV und CDU war es in den vergangenen Jahren, die Überarbeitung des Leitbilds der Gemeinde hinauszuschieben. Es gibt keinerlei Messlatte für eine nachhaltige Entwicklung oder ein Einsparungsziel für CO2 im Kressbronn. Rund 86% des Energiebedarfs der gemeindeeigenen Liegenschaften werden nach wie vor durch die Verbrennung von Palmöl oder Erdgas gedeckt. Der Fuhrpark ist hierbei noch nicht einmal berücksichtigt (www.energiekressbronn.de). 

Die Gemeinde besitzt 34 Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor (Stand 2019). Zwei E-Bikes und ein Elektroroller für die Mitarbeiter*innen sind nach meiner Auffassung noch kein substanzieller Beitrag zur Elektromobilität. Mutiges, zukunftsgerichtetes und strategisches Handeln der Mehrheitsfraktionen im Gemeinderat für den Klimaschutz sieht anders aus. Es wird Zeit, den eigenen Fuhrpark umzustellen.

Dutzende kressbronner Familien, die Mieter von gemeindeeigenen Wohnungen sind, haben nach Auskunft der Verwaltung keinen Zugang zu Lademöglichkeiten für Elektrofahrzeuge an ihrem Wohnhaus. Hier müsste die Gemeinde tätig werden, um ihren Mietern die Anschaffung eines E-Fahrzeugs zu ermöglichen und damit diese von den Förderungen des Bunds profitieren können.

Die nächste Bürgermeister- und Gemeinderatswahl muss zu einer Veränderung der Mehrheiten im Gemeinderat führen. Niemand sollte sich von hohlen Floskeln blenden lassen. Es wäre dringend geboten, eine Bürgerbefragung zu Zukunftsthemen und zur Zufriedenheit der Bürger mit den Leistungen der Gemeinde und des Gemeinderats durchzuführen.

Heiko Kling

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